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Knie im Wachstum – Was Eltern, Trainer und Jugendliche darüber wissen müssen
By Andreas profile image Andreas
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Knie im Wachstum – Was Eltern, Trainer und Jugendliche darüber wissen müssen

Kniebeschwerden gehören im Wachstum oft dazu. Doch wie erkennt man, was normal ist – und was nicht? Dieser Artikel zeigt, was im Knie passiert und wie Jugendliche stabil, schmerzarm und sicher durch diese Phase kommen.

Es beginnt oft ganz harmlos: ein kleiner Stich unterhalb der Kniescheibe, ein unangenehmes Ziehen nach dem Training oder ein Druckgefühl beim Treppensteigen. Viele Jugendliche spüren diese Beschwerden zuerst nur gelegentlich. Doch mit zunehmender Trainingsintensität, langen Schultagen und Wachstumsschüben werden die Knie plötzlich zum ständigen Thema.

Was für Eltern alarmierend klingt und Jugendliche häufig verunsichert, ist in vielen Fällen ein völlig natürlicher Teil der körperlichen Entwicklung. Das Knie ist eines der empfindlichsten Gelenke im jugendlichen Körper – und gleichzeitig eines der am stärksten belasteten.

Die zentrale Frage lautet daher: Woran erkennt man, was normal ist – und was ein Warnsignal ist?
Und was können Jugendliche tun, damit ihre Knie trotz Wachstum stark, stabil und belastbar bleiben?


Warum gerade das Knie im Jugendalter so empfindlich ist

Während der Pubertät wächst das Skelett oft schneller als die Muskulatur. Das gilt besonders für den Bereich rund um das Knie, da dort mehrere Wachstumsknoten sitzen – allen voran der sogenannte Tibiale Tuberositas, eine kleine Knochenvorwölbung unterhalb der Kniescheibe.

Wenn diese Region wächst, müssen Sehnen und Muskeln nachziehen. Besonders betroffen ist die Patellasehne, die vom Quadrizeps über die Kniescheibe zum Schienbein zieht. Wird der Oberschenkelknochen plötzlich länger, steigt die Zugbelastung an dieser Stelle enorm.

Die Sportorthopädin Dr. Carla Hohenstein, die seit über zwanzig Jahren mit Nachwuchssportlern arbeitet, fasst es so zusammen:

„Das Knie ist im Wachstum ein Schauplatz ständiger Anpassungsprozesse. Die Strukturen verändern sich, wachsen, werden gedehnt – und reagieren deshalb empfindlicher als bei Erwachsenen.“

Diese Empfindlichkeit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck eines aktiven biologischen Prozesses. Das Knie ist sozusagen eine Baustelle, auf der viel gearbeitet wird. Und Baustellen sind nie ganz schmerzfrei.


Osgood-Schlatter – der Klassiker der jugendlichen Kniebeschwerden

Wenn Jugendliche über Schmerzen vorne unter der Kniescheibe klagen, steckt häufig eine typische Wachstumsirritation dahinter: Morbus Osgood-Schlatter.

Dabei entzündet sich der Bereich, an dem die Patellasehne am Schienbein ansetzt.
Typische Anzeichen sind:

  • punktuelle Schmerzen unterhalb der Kniescheibe
  • stechende oder ziehende Schmerzen bei Sprüngen
  • Druckempfindlichkeit
  • manchmal eine kleine Verdickung oder Beule

Diese Beschwerden treten vor allem in Phasen schnellen Wachstums auf und verschwinden in den allermeisten Fällen wieder, sobald der Wachstumsschub vorbei ist.

Der Kinderorthopäde Dr. Felix Brombach schreibt dazu:

„Osgood-Schlatter ist keine Verletzung, sondern eine Überforderung in einer sensiblen Wachstumsphase. Mit kluger Belastungssteuerung verläuft es in über 90 Prozent der Fälle unkompliziert.“


Überlastung – das unterschätzte Problem

Neben Wachstum ist Überlastung der zweite große Faktor für Knieprobleme.
Das klingt banal, ist aber gerade im Jugendalter komplex.

Viele Jugendliche trainieren inzwischen mehr als frühere Generationen:

  • mehrere Trainings pro Woche
  • Vereinsbelastung + Schulsport
  • Spiele, Wettkämpfe, Turniere
  • zusätzlich Hobby-Sport oder Freizeitaktivität

Gleichzeitig sitzen sie täglich lange in der Schule, oftmals mit wenig Bewegungspausen. Ein Knie, das unter wachsendem Zug steht, mag Belastung – aber nicht monotone, wiederholte Spitzenbelastung.

Der Sportwissenschaftler Jan Terlinden, der Kinder- und Jugendteams betreut, sagt dazu:

„Von Überlastung spreche ich nicht, wenn jemand viel trainiert. Überlastung entsteht, wenn der Körper einer Belastung nicht gewachsen ist, weil er sich gerade umbaut.“

Wieder einmal zeigt sich: Das Wachstum verändert alles – auch Belastungsgrenzen.


Was Eltern, Trainer und Jugendliche über Warnsignale wissen sollten

Nicht jeder Schmerz ist gefährlich. Aber es gibt Unterschiede:

Normal während des Wachstums:

  • Ziehen unter der Kniescheibe
  • Druckschmerz nach Belastung
  • leichte Steifheit nach langem Sitzen
  • Beschwerden, die nach 24–48 Stunden verschwinden

Warnsignale:

  • stechende Schmerzen beim Gehen
  • Schwellung oder Hitzegefühl
  • Schmerzen, die länger als 3–5 Tage anhalten
  • deutliches Hinken
  • starke Schmerzen unmittelbar nach einem spezifischen Moment

Gerade letzteres ist wichtig: Wachstumsbedingte Beschwerden kommen selten “plötzlich”. Verletzungen hingegen schon.


Wie Jugendliche ihre Knie im Wachstum stärken können

Der wichtigste Schutzfaktor für das Knie ist erstaunlich unspektakulär: eine starke Körpermitte. Was zunächst weit vom Knie entfernt klingt, wirkt in Wahrheit wie ein Stabilisator für alles darunter.

Wenn die Mitte stabil ist, bleiben Beinachse, Hüfte und Knie automatisch kontrollierter. Besonders in Wachstumsphasen, in denen die Hebelverhältnisse sich verändern, ist das entscheidend.

Zweitens: Mobilität der Hüfte.
Wenn die Hüfte steif ist, muss das Knie Bewegungen ausgleichen, für die es nicht gedacht ist.

Drittens: leichte, aber regelmäßige Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur – besonders exzentrisch, also kontrolliert in der Abwärtsbewegung.

Viertens: Landetechnik.
Viele Kniebeschwerden entstehen nicht durch das Springen, sondern durch das Landen. Saubere Landetechnik entlastet das Gelenk um ein Vielfaches.

Athletiktrainer Jens Krüger formuliert es so:

„Ein Knie geht selten kaputt, weil es schwach ist. Es geht kaputt, weil es in einer schwachen Kette derjenige ist, der kompensieren muss.“


Tipps für schmerzärmere Trainingsphasen

Hier sind Maßnahmen, die nachweislich helfen – ohne die Sportpause zu erzwingen:

  • Training leicht reduzieren, nicht stoppen
  • Sprung- und Sprintbelastung temporär dosieren
  • Einheiten mit Technik- und Koordination anreichern
  • Rumpf- und Hüfttraining 2–3x pro Woche
  • kühlende Maßnahmen nach intensiven Einheiten
  • bei akuten Beschwerden: Schmerzfreiheitsprinzip

Eine vollständige Pause ist nur in seltenen Fällen nötig.
Viel sinnvoller ist eine kluge Trainingsanpassung – der Körper lernt dadurch besser, als wenn man ihn völlig stilllegt.


Warum Geduld jetzt wichtiger ist als Perfektion

Viele Jugendliche geraten in eine mentale Falle:
Sie denken, die Phase schlechterer Leistung oder instabiler Bewegungen spiegle ihr wahres Können wider.
Dabei ist diese Phase eine Zwischenstufe, nicht der Endzustand.

Wer jetzt mit Ruhe, Verständnis und sinnvoller Trainingsstruktur arbeitet, wird oft stärker aus der Phase hervorgehen als zuvor. Wachstum ist ein Kraftakt – aber einer, der belohnt wird.

So bringt es die Jugendpsychologin Dr. Linda Felber auf den Punkt:

"Wenn Jugendliche verstehen, dass ihr Körper sie nicht im Stich lässt, sondern sich weiterentwickelt, entsteht ein anderes Selbstbild. Kniebeschwerden sind dann kein Hindernis, sondern ein Zeichen dafür, dass Veränderung stattfindet.“


Fazit: Das Knie wächst nicht nur – es lernt

Das Knie ist eines der sensibelsten Strukturen im jugendlichen Körper. Und gerade weil es so komplex ist, reagiert es stark auf jede Form von Veränderung.
Schmerzen während des Wachstums sind nicht ungewöhnlich und oft harmlos – aber sie sind ein Zeichen, dass der Körper klar kommuniziert: „Ich arbeite. Pass auf mich auf.“

Wer diese Signale versteht, klug damit umgeht und gemeinsam mit Eltern und Trainern auf Qualität statt Quantität setzt, schafft eine Grundlage, die weit über das Jugendalter hinaus wirkt.

Ein Knie, das im Wachstum gut begleitet wird, wird später zu einem Knie, das trägt, stabilisiert, schützt – und Grenzen verschiebt.

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